Donnerstag, 21. Februar 2008
Die Zwischenzeugnisse
Unsere Zwischenzeugnisse waren zufriedenstellend. Die Noten besser als das, was ich aus den mir bekannten Noten, also den schriftlichen, errechnen konnte.

Es zeigt sich aber, dass sich gegebenfalls doch der 'Kampf' um jede Note lohnt.

Im Fach Deutsch werden besonders viele Noten gemacht, aufgeteilt in die folgende Proben-Typen: Diktat, Aufsatz, Leseprobe (hier wird ein Text gelesen und dazu Fragen beantwortet, Synonyme für bestimmte Wörter gesucht), und Grammatik. Es ist durchaus möglich, dass ein Schüler in Aufsatz, Diktat, Leseprobe gut ist, aber keine Lust auf die theoretische Grammatik hat und sich die 4.Fälle nicht merkt. Es kann auch sein, dass ein Schüler Aufsätze gar nicht mag, im Lesen nicht so gut ist, aber die Grammatik leicht abspeichert.

In Deutsch haben LehrerInnen auch den größten Ermessensspielraum. Im Aufsatz selbstverständlich, aber auch in der Bewertung von Fehlern in Diktaten.

Ein Beispiel:
Unter das Diktat wird seit Jahren von den Kindern selbst geschrieben:
Fehler:
Note:
Unterschrift:

In einem 4-Klässlerdiktat ist das "r" von "Unter" etwas undeutlich geraten. An sich müsste der Lehrer wissen, dass das Kind sonst Unterschrift richtig schreibt. Darüberhinaus ist das Wort nicht wirklich Teil des Diktats. Aber: Das undeutliche "r" ist der
1. Fehler.
2. Fehler: ein zusammengesetztes Nomen, wie "Schneesturm". Der zweite Teil (Sturm) wird vom Kind wegen eines Schreibfehlers durchgestrichen, während der erste stehen bleibt. Sturm wird richtig (und klein) dahinter geschrieben. Nicht gemacht wurde der Verbindungstrich zwischen Schnee - und -sturm. An sich würde man erkennen, dass das Kind weiß, dass dieses Wort zusammen geschrieben wird.
3. Fehler: ein aus Nomen und Adjektiv zusammengesetztes Adjektiv, wie "wasserabweisend" wird groß geschrieben. Bei diesem Kind ist es klar, dass es nur ein Flüchtigkeitsfehler ist, denn das Kind beherrscht Groß- und Kleinschreibung gut. Ok, das ist ein richtiger Fehler, finden auch die Eltern.

Nach Einschätzung der Lehrerin: 3 Fehler, Note 2.
Nach Einschätzung der Eltern: 1 Fehler, Note 1.

Was soll's, dachten die Eltern im Herbst. Eine 2 ist gut. Gut genug. Jedoch, als sie im Zwischenzeugnis sehen, dass die Note des Kindes zwischen 2 und 3 steht, und eine Drei das Kind von der Eignung fürs Gymnasium auf eine Eignung für die Hauptschule verschieben würde (weil: Mathe und Deutsch 3) bzw. in die mehrtägige Prüfungshölle des "Probeunterrichts" (für die Realschule!), finden sie die "Was soll's - eine Zwei ist gut"-Haltung nicht mehr richtig.

Ab jetzt gilt daher: jede Note wird in Frage gestellt, wenn die Eltern eine andere Ansicht haben.
Unerfreuliche Nebenwirkungen: noch weniger Zeit und Energie für den Job (siehe Beitrag "das Schulsystem als Karriere-Nachteil").

Das möchten die Eltern auch als Tipp weitergeben: Jede Note in Frage stellen, wenn die Benotung zu streng wirkt. Im Moment der Benotung mag es unwichtig erscheinen, für den Durchschnitt kann es sehr wichtig sein und dem Kind viel Stress (z.B. der sogenannte Probeunterricht) ersparen.

LehrerInnen, die undeutlich geschriebene Buchstaben als Fehler bewerten, haben dafür eine Standard-Begründung (das habe ich aus mehreren Schulen gehört, wie vieles, was ich hier schreibe):
Später werden die Kinder noch strengere LehrerInnen haben. Es ist eine erzieherische Maßnahme, sie zu ordentlicher Schrift zu zwingen, die den Kindern im späteren Leben hilft. Ok, kann man ggf. so akzeptieren. Ordentliche Schrift ist gut für die Leser und für's Leben

Aber: seltsam, dass diese erzieherische Maßnahme so oft in Proben eingesetzt wird, viel seltener bei Hausaufgaben oder bei in der Schule geschriebenen Texten.

Ok, ein/e LehrerIn wird sagen: so viele Kinder - so wenig Zeit. Zum Thema Lehrermangel - große Klassen ein anderes Mal.

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